Wir reden viel von Managementkompetenzen – und das ist auch gut so. Denn gutes Management ist der Schlüssel zum Erfolg einer Unternehmung. Aber es ist gar nicht so einfach zu definieren, was gutes Management ausmacht. Darum kümmern sich ungezählte Business Schools, Forscher[1] und Berater. Die Literatur zum Thema ist unübersichtlich, oft wenig originell oder relevant, wächst aber ständig weiter.
Umso erstaunlicher ist es, dass es praktisch keine Forschung, keine Literatur zum Thema «Eigentümerkompetenz» gibt! Was meine ich mit dem Begriff? Genauso wie es mehr oder weniger allgemein anerkannte Kriterien gibt, was einen guten Manager, eine gute Managerin ausmacht, sollte es diese auch zum Thema «Eigentümerkompetenz» geben, d.h., zur Frage welche Kompetenzen einen guten Eigentümer[2] oder Eigentümerin ausmachen. Diese Frage ist deshalb besonders relevant, weil in vielen Familienunternehmungen Eigentümer- und Management Rollen nicht von den gleichen Personen eingenommen werden, ja in grösseren Familienunternehmen das Management der Firma oft ausschliesslich in den Händen familienfremder Manager liegt. Und so wie inkompetente Manager eine Firma in den Niedergang führen können, genauso schaden auch inkompetente Eigentümer ihren Firmen enorm.
Denn wenn Firmen über Generationen wachsen, werden sie bald so gross und komplex, dass die Managementfunktionen nicht mehr ausschliesslich von Angehörigen der Familie besetzt werden können – oder sollen. Denn gerade grosse Familien, die grosse Unternehmungen beherrschen, schliessen in ihren Regelwerken eine operative Beschäftigung im Unternehmen aus oder schränken sie stark ein – dies aus guten Gründen.
Es ist für das nachhaltige Wachstum einer Firma absolut zentral, dass die Familie als kompetenter Eigentümer auftritt und ihre Rolle (in der Regel im Verwaltungsrat[3]) aktiv zum Nutzen des Unternehmens spielt. Die folgenden Ausführungen richten sich denn auch an Eigentümer, die NICHT operativ im Management einer Familienunternehmung sind, aber ihre Rolle als Mitglied eines Verwaltungsrates oder Beirates ausüben.
Was also macht eine kompetente Eigentümerschaft aus? Ich sehe drei zentrale Elemente:
Es ist unerlässlich, dass ein kompetenter Eigentümer das Geschäft seines/ihres Unternehmens kennt, d.h. ein Grundverständnis für die Märkte, die Kunden, die Werttreiber, die Regulatorien, die Markttrends, die Konkurrenten etc. aufweist. Diese Kenntnisse stammen aus einer permanenten Beschäftigung mit den Themen, denen sich die Unternehmensführung konfrontiert sieht. Am besten baut dieses Grundverständnis der Märkte auf eigenen Tätigkeiten in diesen Feldern auf, Grundkenntnisse die man sich gut auch aneignen kann durch eine Berufstätigkeit in ähnlichen Unternehmungen oder in der Unternehmensberatung (wo meiner eigenen Erfahrung nach die Lernintensität pro Zeiteinheit am höchsten ist, weshalb Beratung nach wie vor ein hochattraktives Feld für Berufseinsteiger ist. Die andere Tätigkeit, in denen Einsteiger am schnellsten lernen, ist die Assistenz eines sehr erfahrenen und kompetenten Managers oder Unternehmers[4]).
Selbstverständlich muss ein kompetenter Eigentümer auch über betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse verfügen, das heisst man sollte eine Bilanz und eine Erfolgsrechnung und ihre Mechanismen lesen und verstehen können. Die entsprechenden Grundkenntnisse lassen sich in Weiterbildungen erlernen, tieferverführende insights gibt natürlich eine Ausbildung als Wirtschaftsprüfer oder Bankfachmann/-frau.
Es braucht aber nicht nur die vorstehend beschriebenen Kompetenzen, sondern man braucht auch eine emotional positive Einstellung zur eigenen Unternehmung – oder um es stärker zu formulieren: man muss das, was die eigene Firma tut, lieben oder zumindest mit einer positiven Faszination verfolgen. man sollte schon Wein mögen, wenn man einen Weinhandel betreibt, oder Fleisch, wenn das eigene Business eine Metzgerei ist. Wer sich emotional von der eigenen Firma distanziert (z.B. weil er die Produkte und Märkte der Firma zu wenig kennt oder aus politischen oder ethischen Überlegungen kein positives Verhältnis dazu aufbauen kann) kann kein kompetenter Eigentümer sein. Bei dieser Form von Entfremdung ist es angezeigt, dass sich die Familie (oder eben Teile davon) vom Unternehmen trennt, um so einen besseren Eigentümer zu finden. Leider erfolgt diese Trennung in den meisten Fällen zu spät und das Unternehmen hat schon Schaden genommen. Zur Eigentümerkompetenz gehört es also auch, zu erkennen, wann es Zeit ist sich vom Unternehmen zu trennen und dieses an neue, kompetentere Eigentümer zu übergeben. Einfacher gesagt als getan, denn die emotionale Bindung an ein Familienunternehmen verhindert oder verzögert einen solchen Schritt fast immer.
Das eigene Business zu kennen und wenn möglich zu lieben ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für gelingende Eigentümerkompetenz. Denn als zweites gilt es auch strategisch denken zu können. Das ist leicht gesagt und geschrieben, aber in der Praxis haben nur wenige Menschen ausgebildete Kompetenzen strategisch denken – und handeln zu können. Es ist die Fähigkeit in die Zukunft sehen zu können, eine Vorstellungskraft[5] für mögliche Szenarien der Entwicklung zu haben; ferner die Fähigkeit in verschiedenen, zum Teil widersprechenden Szenarien denken und operieren zu können und dies immer unter der Bedingung knapper und unvollständiger Informationslage. Die meisten Menschen sind mehr oder weniger gut darin, bestehende Informationen oder Fragestellungen zu organisieren, aber nicht gut darin zu sehen, was fehlt und was zu beachten und zu bedenken wäre. Oder, um mit Donald Rumsfeld zu sprechen, die unknown unknowns aufzuspüren.
Die Zusammensetzung des Verwaltungsrates ist ein Schlüsselfaktor, um die strategische Kompetenz im Unternehmen zu steigern. Dort sollen Personen aus verschiedensten Bereichen wirken, die strategisch denken können und die strategische Handlungskompetenz bewiesen haben. Natürlich brauchen wir diese Kompetenzen auch auf Ebene der Geschäftsleitung – aber es wäre eben fatal, wenn diese nur auf Ebene der Geschäftsleitung vorhanden wären. Eine kompetente Eigentümerfamilie wendet darum viel Zeit auf, die richtigen Personen für den Verwaltungsrat auszuwählen und – sollten sie selbst nicht im Verwaltungsrat vertreten sein – einen kontinuierlichen und vertrauensvollen Dialog mit diesen Personen zu pflegen. Dies muss im Rahmen einer Familienverfassung und des daraus folgenden Aktionärsbindungsvertrages[6] kodifiziert werden, inkl. Wahlverfahren, Amtszeiten, Anforderungsprofile etc., etc. Gute Resultate entstehen dann im vertrauensvollen Dialog von Geschäftsleitung und Verwaltungsrat. (evtl. Hinweis auf die Rolle des VRP und CEOS in einem weiteren Artikel).
Dies ist nun das dritte Element einer kompetenten Eigentümerschaft. Denn als Eigentümer, die im Verwaltungsrat Kontrolle über ein Unternehmen ausüben, wissen wir, dass wir einen ganz zentralen Hebel mit grösster Wirkung haben: die Auswahl der richtigen Führungspersonen auf Ebene Geschäftsleitung. Dafür brauchen wir die Kompetenz, beurteilen zu können, welche Personen für welche Aufgaben geeignet sind und welche weniger. Kompetente Eigentümer wissen, wie man solche Menschen findet, wie man sie ans Unternehmen bindet und weiterentwickelt, und wann es Zeit wird, sie auch wieder von Aufgaben zu entbinden. Dazu gehört klar das Wissen, was gutes Management ausmacht und Respekt vor den Aufgaben denen sich das Management alltäglich stellen muss[7]. Gegenseitiger Respekt ist ein wichtiges Erfolgskriterium und oft mangelt es daran, was eigene weitere Überlegungen wert ist. Gutes people judgement ist für die Unternehmensführung auf allen Stufen eine sehr wichtige Kompetenz. Für die nicht operativ tätigen Eigentümer gehört dazu auch die Fähigkeit, in Gremien arbeiten zu können und mit Widerspruch umgehen zu können – je schwächer das eigene Ego und die eigenen Kompetenzen sind, desto schwächer sind auch diese Fähigkeiten ausgebildet.
Sind die drei hier umrissenen Elemente gut ausgebildet, können wir guten Gewissens von einer kompetenten Eigentümerschaft sprechen.
[1] Einer der anregendsten Autoren zum Thema ist Henry Mintzberg, s.h. seine umfangreiche Publikationsliste unter www.mintzberg.org. Ebenso anregend, witzig und voller eigener Erfahrung als Führungskraft in Unternehmen und Regierungsämtern ist Donald Rumsfeld, s.h. dazu www.rumsfeld.com. Sein Buch Rumsfeld’s Rules ist ein Klassiker der praktischen Managementliteratur.
[2] Der guten Lesbarkeit halber bleiben wir beim generischen Maskulinum. Es schliesst bekanntlich alle biologischen Geschlechter mit ein.
[3] Der einfachen Lesbarkeit halber verwende ich ausschliesslich die Schweizer Terminologie für die Gremien der Governance.
[4] Eigentlich kann man auch ex negativo lernen, aber das ist in hohem Masse unerfreulich und für junge Menschen am Anfang ihrer Berufstätigkeit nicht zu empfehlen.
[5] Vorstellungskraft, auf Englisch imagination, ist überhaupt eine wichtige Eigenschaft grosser leader. S.h. dazu z.B. sehr schön Douglas Hurd and Edward Young, Disraeli or the Two Lives, Orion Books, 2014
[6] In Deutschland und Oesterreich meist der Gesellschaftervertrag
[7] Dazu gehört auch, dass Management vor unnötigen oder nice to have Aufgaben zu schützen.